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Vexillologie – Überblick und Geschichte

Die Flaggen- und Fahnenkunde ist eine Wissenschaft innerhalb der Heraldik. Sie beschäftigt sich mit der Geschichte, Symbolkraft, Nutzung und Erzeugung von Flaggen und Fahnen. Aufgrund ihres speziellen Wesens ist die Vexillologie darüber hinaus eine Hilfswissenschaft der Soziologie, Massenkommunikation, Werbung, Politologie und anderen Wissenschaften, deren Kern das Thema Kommunikation darstellt.

„Vexillologie“ ist ein Kunstwort, das aus den lateinischen Wörtern „vexillum“ (Tuch, Fahne) und „logie“ (Wissenschaft | „logo“ steht für Wort oder Lehre) zusammengesetzt ist. Der Begriff existiert seit 1959. Die Flaggenkunde als Teil der Heraldik (Wappenkunde) wird jedoch seit dem späten Mittelalter praktiziert.

Als Quellen nutzt der Fahnenkundler (Vexillologe) insbesondere Fahnenbücher sowie See- und Landkarten.

Wichtiger Bestandteil der Vexillologie ist eine emotionenübetragende, sprachübergreifende und daher im Idealfall international verständliche Symbolik. Das dargestellte Zeichen auf einer Flagge oder Fahne soll über Länder und Kontinente hinweg dieselbe Botschaft vermitteln.

Historisches

Erste Aufzeichnungen über Fahnenbeschreibungen fanden sich bereits im 14. Jahrhundert. Damals wurden Darstellungen von Flaggen in farbig gestalteten Reisebeschreibungen festgehalten. Das bekannteste dieser Bücher war das „Libro do Conoscimiento“, das um das Jahr 1350 datiert wird. Ein paar Jahre später fanden sich auch Wappenbanner-Rollen wie die „Mowbrays Roll“ aus England, auf der zahlreiche Wappen, in Reihen gegliedert, zu sehen waren. Im 17. Jahrhundert tauchten Fahnen mit detaillierten Beschreibungen auch in Lexika auf, und seit dem 19. Jahrhundert findet man sie in Admiralitätsbüchern. Das „Album des pavillons, guidons et flammes de toutes les puissances maritimes“ (Sammlung der Flaggen, Kapitäne und Symbole aller Seemächte) war das erste bedeutende Flaggenbuch in der Fahnenkunde. Es wurde 1858 von Alexandre Le Gras verfasst.

Das nächste bedeutende Werk war das „Flaggenbuch“ von 1939. Es erschien unter der Leitung des Oberkommandeurs der deutschen Marine. Bearbeitet wurde es von Dr. Ottfried Neubecker. Der spätere Begründer des Wappen-HEROLD ist bereits mit der Dissertation „Das Deutsche Wappen 1806–1871″ zum Dr. phil promoviert worden, als er als Mitarbeiter im Reichsinnenministerium und in der Marineleitung wirkte. In dieser Zeit schuf er ca. 50 Gemeindewappen und war beratender Mitarbeiter bei der Erstellung von Enzyklopädien von Verlagshäusern wie Brockhaus oder Knaur. Aufgrund seiner Ehe mit einer Frau jüdischer Abstammung wurde er immer wieder zum Ortswechsel gezwungen. Nach dem zweiten Weltkrieg und bis zu seinem Tode im Jahre 1992 blieb er Deutschlands bedeutendster Wappen-, Fahnen- und Ordenskundler. 1982 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Dr. Whitney Smith

Erfinder des Kunstwortes und damit Begründer der Vexillologie ist Dr. Whitney Smith (*1940; † 2016) aus den USA, Massachusetts. Schon mit 6 Jahren war der spätere Harvard-Absolvent in Politikwissenschaften fasziniert von der Symbolkraft von Fahnen. Eine kleine 48 Sterne umfassende US-Flagge war die erste die er besaß, ein Geschenk seines Vaters. Seit dieser Zeit versuchte der Junge, das Wesen und die Geschichte der Fahnen zu ergründen. Mit 17 Jahren etablierte er den Begriff „Vexillologie“ und gründete vier Jahre später die Zeitschrift The Flag Bulletin: The International Journal of Vexillology. Bis zu seinem 50. Jubiläum lief das Medium noch immer unter der Leitung Smiths.

Bereits mit 20 hatte sich der Vexillologe einen Namen gemacht. Als 1960 der Britische Premier von Guyana ihm anbot, eine Fahne zu entwickeln, nahm Smith den Auftrag an. Heute ist die Fahne mit den aufeinanderliegenden Pfeilspitzen allen Vexillologen vertraut.

Kooperative Republik Guyana

Auf grünem Hintergrund sind zwei Spitzen dargestellt. Das Grün selbst steht für den bedeutenden Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft. Die innenliegende rote Spitze deutet auf den Ehrgeiz der Bevölkerung hin. Umrahmt wird sie von einem schwarzen Rand, der wiederum die Beharrlichkeit der Bewohner Guyanas ausdrücken soll. Die äußere markante goldene Spitze steht für die Bodenschätze des Landes und die Hoffnung auf eine goldene Zukunft. Um die größte der geometrischen Figuren ist ein weißer Rand zu sehen. Dieser repräsentiert die Seen und Flüsse des Landes. Am 26. Mai 1966 wurde die Fahne offiziell als Staatsfahne anerkannt.

Flaggenwesen

Aufgrund der Webshow „Spaß mit Flaggen“ von Dr. Sheldon Cooper in der Fernsehserie The Big Bang Theory, wird die Begrifflichkeit der Flaggenkunde einem breiten Publikum bekannt.

Nationalflaggen

Nationalflaggen haben ihren Ursprung in der Seefahrt und in der Kriegsführung. Gruppen, Organisationen, Dynastien trugen zur Kennzeichnung und zur Abgrenzung eigene Symbole, die sie auf Textilien aufbringen ließen. Diese Fahnen wurden schon im Mittelalter auf langen Stangen aufgesetzt, um eine größere Sichtbarkeit weit über Land und See zu erreichen. Waren Fahnen anfangs eher in der Seefahrt üblich, wurden sie mit dem Erstarken des Nationalismus in der Napoleonischen Ära auch an Land wichtiger. Die einstigen Handelsfahnen an den Schiffsmasten, welche die Heimat des Handelsschiffes und seiner Besatzung mitteilen sollten, wurde im 19. Jahrhundert ebenso das Symbol für die jeweilige Nation. Die Nationalflagge ist bestückt mit Symbolen, welche das Land repräsentieren sollen.

Vexillologie: Europäische Flaggen im Überblick
Vexillologie: Europäische Flaggen im Überblick

Werbebanner

Die markante Signalwirkung von Flaggen und Fahnen hat sich auch die Werbung zunutze gemacht. Heute sehen wir auf Messen oder an Firmengebäuden oft Flaggen mit dem Logo des jeweiligen Unternehmens. Fahnenmasten dienen als einzigartige Markierung des Unternehmens und sorgen gleichzeitig für den Erinnerungseffekt. Meist sind sie an einer Stange befestigt, jedoch werden sie im  Gegensatz zu Fahnen mit der länglichen Seite, also vertikal, angebracht.

Signalflaggen im Sport und in der Seefahrt

Neben Abgrenzung und Gruppenzugehörigkeit werden Fahnen ebenso zur reinen Kommunikation verwendet. Bei Manövern auf See waren sie überlebenswichtig. Mit einzelnen Signalflaggen wurde so übermittelt, ob Gefahr drohte oder wie weit der Gegner noch entfernt ist. Anfangs waren  sie eher als Geheimsprache zu sehen, später dann entwickelte sich eine Systematik. Jeder Buchstabe im Alphabet bekam seine eigene Flagge, und ebenso wurden besondere Ausdrücke und Zahlen als Flaggen dargestellt. Seit 1901 ist das Flaggenalphabet in dem „Internationalen Signalbuch“ festgehalten. In diesem befinden sich sämtliche Signalflaggen für Sicherheits- und Navigationszwecke. In der Neuzeit sind Fahnen allgegenwärtig.

Berufsbezeichnung „Vexillologe“

Ein Fahnenkundler studiert Vexillologie und beschäftigt sich mit Fahnen, Flaggen, Fähnchen, Bannern und Wimpeln. Geschützt ist der Begriff jedoch nicht.

Einen eigenen Wikipedia-Eintrag besitzen folgende Vexillologen:

Graham Bartram unterbreitete beispielsweise einen Vorschlag für die Antarktische Flagge:

weiße Antarktis ohne Grenzen auf einem hellblauen Hintergrund
weiße Antarktis ohne Grenzen auf einem hellblauen Hintergrund

Gruppen und Vereine

Die erste bedeutende Organisation für Vexillologie war das Flag Research Center, gegründet von Whitney Smith 1962.

1967 etablierte sich die inzwischen weltweit 55 Verbände umfassende Internationale Föderation Vexillologischer Gesellschaften (FIAV), der sich 1969 auch das Flag Research Center anschloss. Die offiziellen Sprachen der Organisation sind neben Deutsch und Englisch auch Französisch und Spanisch. Die Abkürzung FIAV resultiert aus der Schreibweise der Föderation in den beiden romanischen Sprachen. Ausgeschrieben lautet der Name auf Französisch „Fédération internationale des associations vexillologiques“ und auf Spanisch „Federación Internacional de Asociaciones Vexilológicas“.

Ein bedeutendes Mitglied aus Deutschland ist die Deutsche Gesellschaft für Flaggenkunde (DGF). Sie wurde 1995 gegründet, hat ca. 90 Mitglieder und sitzt in Berlin. Ihre Beschäftigungsfelder reichen von der Erforschung, Förderung und Pflege der Flaggen- und Fahnenkunde bis hin zu der Dokumentation historischer und gegenwärtiger Nationalflaggen.

Exkurs: Fahne oder Flagge?

Werden die beiden Begriffe auch heute umgangssprachlich gleichgesetzt, bestehen sowohl in der Nutzung als auch in der Bedeutung wesentliche Unterschiede.

Vexillologen sprechen von einer Fahne (Vexilloid), wenn diese

  • ein – mitunter reich verziertes – Einzelstück ist
  • an einer Fahnenstange zum Tragen fixiert wird
  • als Truppenfahne verwendet wird.

Eine Flagge hingegen gilt als solche, wenn sie

  • beliebig oft ersetzt werden kann
  • an einem Fahnenmast gehisst wird

Der Begriff „Vexilloid“ ist in der Wissenschaft nicht eindeutig geklärt. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass mit „Vexilloid“ nur das Panier selbst, also der Fahnenstoff, gemeint ist. Andere sind der Ansicht, „Fahne an der Stange“ sei der wirkliche Terminus dafür.

Das Fahnenwesen kannten bereits die Römer. Sie nutzten die wertvollen Stofftücher (germ. „fano“: Tuch, Fahne) für die Unterscheidung und Kennzeichnung ihrer Heereseinheiten. Diese Verwendung setzte sich im Mittelalter bis hinein in die Neuzeit fort.

Die Flagge (altnordisch „flagro“: wehen, flattern) wurde ursprünglich in der Schifffahrt eingesetzt. Am Mast des Schiffes gehisst, zeigte sie beispielsweise an, aus welchem Land die Besatzung kam bzw. welche Organisation oder Institution sich an Bord befand.